Meinungsbeitrag im Tagesspiegel Background, veröffentlicht am 22.Juni 2022
Gut, dass die G7 die Klimakrise angehen, schreiben Maria Mendiluce, CEO der We Mean Business Coalition sowie Sabine Nallinger, Vorständin der Stiftung KlimaWirtschaft. Doch auch und gerade die Wirtschaft erwarte noch entschlossenere Schritte. Zum Beispiel müsse auf dem bevorstehenden Gipfel in Elmau das Ziel 70 Prozent erneuerbarer Stromanteil bis 2030 beschlossen werden.
Die Staats- und Regierungschefs der führenden Industriestaaten (G7) bereiten sich derzeit auf ihr Gipfeltreffen im bayerischen Elmau vor, das dieses Wochenende beginnt. Sie stehen dabei vor immensen Herausforderungen: Die Krise der globalen Energieversorgung spitzt sich zu und es bleibt immer weniger Zeit, um das 1,5-Grad–Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens noch zu erreichen. Durch den russischen Einmarsch in die Ukraine erleben wir eine weitere Destabilisierung. All dies zeigt überdeutlich, wie schnell wir auf erneuerbare Energien umsteigen müssen, um die Energiesicherheit, die geopolitische und wirtschaftliche Stabilität und den Klimaschutz zu stärken.
Von den G7-Minister:innentreffen gingen jüngst ermutigende Signale für die Unternehmen aus, die sich freiwillig zur Einhaltung der Pariser Klimaziele verpflichtet haben: Denn die G7-Klima- und Energieminister:innen haben unter anderem entschieden, bis 2035 den Stromsektor vollständig zu dekarbonisieren und durch eine verstärkte Zusammenarbeit die Transformation der Industrie zu beschleunigen. Gleichzeitig wurde mit einem gemeinsamen Fahrplan die dringende Notwendigkeit unterstrichen, eine funktionierende Kreislaufwirtschaft aufzubauen.
Die Staats- und Regierungschefs der G7 müssen jetzt diesen Signalen klare Zeitvorgaben und Umsetzungsmaßnahmen folgen lassen damit der Privatsektor seinen Beitrag zur schnelleren Dekarbonisierung unserer Volkswirtschaften leisten kann – beispielsweise durch die Festlegung eines Kohleausstiegs in den G7-Staaten bis 2030.
In diesem Zusammenhang begrüßen wir die Zusage der G7-Minister:innen, die internationale Finanzierung von fossilen Energieträgern noch in diesem Jahr einzustellen. Unternehmen benötigen darüber hinaus jetzt konkrete Aussagen dazu, wie die Regierungen die eingegangenen Verpflichtungen zur Abschaffung nationaler Subventionen für fossile Energieträger bis 2025 erfüllen, und die dadurch freiwerdenden Mittel in Energieeffizienz, erneuerbare Energieträger und weitere Maßnahmen zur Unterstützung einer sozial gerechten Energiewende umleiten wollen.
Ebenso wichtig ist es für Unternehmen, die von politischen Entscheidungsträger:innen oft vernachlässigten Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz und zum Ausbau der Energiespeicherung zu intensivieren. Wenn es gelingt, die in den letzten zehn Jahren erzielten Fortschritte bei der Energieeffizienz zu verdoppeln, könnte der weltweite Energieverbrauch bis 2030 etwa um den jährlichen Energieverbrauch Chinas gesenkt werden. Dadurch würden die Haushalte zusammen 650 Milliarden US-Dollar einsparen. Die Wirtschaft erwartet von den Regierungen, dass sie die Finanzierung in diesen Bereichen aufstocken, das Risiko für private Investitionen verringern und zeitgebundene Ziele festlegen.
Die Verpflichtung der G7, die globalen Märkte und Lieferketten für erneuerbaren Wasserstoff und seine Derivate auszubauen, ist ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zur vollständigen Dekarbonisierung unserer Industrie. Dieser Transformationsprozess kann jedoch nur erfolgreich verlaufen, wenn er von gemeinsamen Standards und Rahmenbedingungen flankiert wird. Die Zeit hierfür drängt.
Bei all diesen Punkten kann der von der deutschen G7-Präsidentschaft vorgeschlagene Klimaclub eine wichtige Rolle spielen, also ein koordiniertes Vorgehen insbesondere um Handelskonflikte zu entschärfen. Zusätzlich sollte der Klimaclub eine Harmonisierung von internationalen Produktstandards voranbringen und Entwicklungsländer durch substanzielle finanzielle Beiträge bei der Umstellung auf erneuerbare Energieträger unterstützen. Dieser Prozess muss mit konkreten Maßnahmen begleitet werden.
Bei den weiteren Verhandlungen können die Staats- und Regierungschefs der G7 darauf vertrauen, dass Tausende von Unternehmen bereits jetzt und freiwillig daran arbeiten, ihre Treibhausgasemissionen durch Maßnahmen wie die Festlegung von science-based targets (SBTs), Transformationsplänen und die vollständige Umstellung ihrer Energieversorgung auf erneuerbare Energien zu senken.
Ferner können sie auf die über 1000 Unternehmen setzen, die kürzlich in mehreren Schreiben an die Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten einen beschleunigten Übergang zu einer erneuerbaren Energieversorgung gefordert haben. Die Botschaft der Wirtschaft ist klar und spiegelt die eindeutigen Erkenntnisse der Klimawissenschaft wider.
Denn fossile Energieträger sind durch enorme Risiken und eine ausgeprägte Volatilität gekennzeichnet. Deshalb eignen sie sich nicht länger für eine zuverlässige Energieversorgung, auf die wir dringend angewiesen sind. Die Erschließung von weiteren neuen Öl-, Gas- und Kohlevorkommen würde die weltweite Durchschnittstemperatur auf ein Niveau heben, das die Zukunft der Menschheit bedroht. Glücklicherweise verfügen wir aber über die notwendigen innovativen Technologien, die auch schon stark nachgefragt werden. Es gilt also, keine Zeit zu verlieren und jetzt zu handeln.
Erneuerbare Energien bieten Unternehmen, Volkswirtschaften und den Menschen insgesamt nur Vorteile. Sie verhindern, dass Länder und Unternehmen ihr Kapital in stranded assets investieren – kostspielige Projekte zur Nutzung von fossilen Energieträgern, die keine Zukunft haben. Sie wirken hohen Risiken für die nationale Sicherheit entgegen, die durch den Klimawandel verursacht würden, wenn wir die weltweiten Treibhausgasemissionen nicht bis 2030 halbieren. Und sie tragen dazu bei, dass die Luft sauberer und die Gesundheit der Menschen weniger stark belastet wird.
Die erneuerbare Energien-Branche könnte bis 2030 weltweit 38 Millionen Arbeitsplätze schaffen. Durch konsequente Maßnahmen zur Erreichung der Klimaneutralität würde der Markt für Windkraftanlagen, Photovoltaikmodule, Lithium-Ionen-Speicher und Brennstoffzellen auf ein Volumen von mehr als 1 Billion US-Dollar pro Jahr wachsen.
Damit sie diese Chancen nutzen können, sind Unternehmen auf eindeutige Zielvorgaben und beschleunigte Umsetzungsmaßnahmen für den Übergang zu einer verlässlichen Energieversorgung mit kostengünstigen, erneuerbaren Energien angewiesen. Denn nur durch die Verfügbarkeit erneuerbarer Energie auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette kann die Wirtschaft ihre eigenen Beiträge zum Pariser Klimaschutzabkommen erreichen. Es ist daher notwendig und sinnvoll, im Kreis der G7 die Zielvorgabe für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bis 2030 auf 70 Prozent anzuheben. Gleichzeitig gilt es, die Produktion von grünem Wasserstoff auszubauen und die Infrastruktur zu errichten, die für die Versorgung der Industrieunternehmen mit erneuerbarer Energie notwendig ist.
Ein zügiger Übergang zu einer diversifizierten, zuverlässigen und erneuerbaren Energieversorgung ist der kostengünstigste Weg, um die Energiesicherheit zu verbessern, die Volatilität der Energiepreise zu verringern, die Treibhausgasemissionen zu senken und die wirtschaftliche Resilienz zu stärken. Damit diese Energiewende ein Erfolg wird, bedarf es einer genaueren Steuerung des Transformationsprozesses. Nur so ist gewährleistet, dass die Unternehmen sowie ihre Kunden:innen und Mitarbeiter:innen den Wandel gut bewältigen.
Gemeinsam mit unserem Netzwerk aus mehreren Tausend Unternehmen fordern wir die Staats- und Regierungschefs der G7 auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und den Mut aufzubringen, die notwendige Energiewende deutlich zu beschleunigen. Dieser Schritt wird sich jetzt in der aktuellen Krise sowie für kommende Generationen auszahlen.
Maria Mendiluce ist CEO der We Mean Business Coalition. Das internationale Bündnis vereint sieben Organisationen, die mit Großunternehmen kooperieren, um Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen.
Sabine Nallinger ist Vorständin der Stiftung KlimaWirtschaft. Die Stiftung ist eine Initiative von Vorstandsvorsitzenden, Geschäftsführern und Familienunternehmern, die sich für die Einhaltung der europäischen und deutschen Klimaziele einsetzt. Sie wurde 2011 unter dem Namen Stiftung 2 Grad gegründet und hat sich 2021 umbenannt.